Mittwoch, 29. September 2010

Das erste Mal oder Wer nicht wagt, der nicht gewinnt


Nach der zweiwöchigen “Window Period” sind wir nun richtig im Projektalltag angekommen. Unser Zimmer ist fertig eingerichtet, wir kennen endlich die Namen (fast) aller Frauen aus dem Projekt und trauen uns nun sogar, alleine mit dem Bus zu fahren. In diesem Blogeintrag möchten wir von unseren Anfängen im indischen Alltag berichten.

1.Unsere erste Busfahrt

Unsere ersten Busfahrten durften wir nur mit Begleitung erleben. Wir stellten spaeter auch fest, wieso. Um in Indien mit dem Bus fahren zu können, muss man einige Regeln beachten, die uns Vandana und andere Maithri- Mitarbeiterinnen beigebracht haben. Damit ihr, liebe Blogleser, falls es euch jemals nach Indien bzw. nach Mangalore verschlägt, wisst wie man sich im Bus verhält, geben wir unser neu gewonnenes Wissen gerne an euch weiter:
Zuerst muss man die Bushaltestelle finden, die oft nicht wirklich gekennzeichnet ist und nur aus einer kleinen Überdachung besteht. Wenn der Bus kommt, sollte man schon bereit stehen, um möglichst schnell hineinzuklettern. Denn im Bus arbeiten drei Männer. Einer ist der Fahrer, ein anderer verteilt die Fahrkarten und sammelt das Geld ein und noch ein anderer treibt (zusammen mit dem Fahrkartenverkäufer) die Fahrgäste mit einer Pfeife in den Bus.
Nachdem man es geschafft hat, in den Bus zu klettern, sollte man sofort nach etwas zum Festhalten greifen, denn der Busfahrer faehrt nach wenigen Sekunden los- auch, wenn noch einige Menschen auf der Treppe stehen. Schliesslich muss er den ziemlich eng gestrickten Busfahrplan einhalten. Tueren gibt es in indischen Bussen generell nicht. Wenn man etwas zum Festhalten hat oder sogar das Glück hatte, einen Sitzplatz zu ergattern sollte man NIE loslassen. Die Straßen rund um Mangalore sind (besonders durch die lange Monsunzeit) mit Schlaglöchern übersäht und man wird ordentlich durchgerüttelt. Die wenigsten Busfahrer machen sich die Muehe, vor einem Schagloch abzubremsen oder auszuweichen.
Eine weitere lebensnotwendige Regel ist es, egoistisch zu sein. Man sollte sich nie in die Mitte des Busses drängen lassen, denn es kann vorkommen, dass bei einem College viele Schüler einsteigen und man an seiner Bushaltestelle nicht mehr rauskommt. Alten Menschen oder schwangeren Frauen kann man seinen Sitzplatz anbieten.
Des weiteren begenet man als Europaer einem grossen Interesse, das einem auch leicht einmal zu viel werden kann. Bestenfalls ignoriert man es einfach oder freut sich ueber das Interesse. Wann hat man schliesslich schonmal die Gelegenheit, sich wie ein Promi auf dem roten Teppich zu fuehlen? ;)
In einem indischen Bus ist es extrem heiß. Das heißt, dass uns Europäern der Schweiß nur so runterläuft. Dazu ist man auf engstem Raum mit vielen Menschen zusammengedraengt. Eine sinnvolle Anschaffung ist ein Schweisstuch, fuer das schnell noch viele weitere Verwendungszwecke finden lassen.

 Ihr seht: nichts leichter als mit einem indischen Bus zu fahren! Wir wünschen euch, dass ihr auch einmal in einem indischen Bus fahren könnt, denn es ist ein wirkliches Erlebnis.
Und zur Beruhigung: Wie koennen mittlerweile sogar im Bus schlafen! :)


2.Unsere erste Unterrichtsstunde

Stillarbeit.. :)
Nachdem wir während der Window Period schon eine kurze Unterrichtseinheit zum gegenseitigen Kennenlernen gegeben haben, hatten wir letzten Montag dann unseren ersten richtigen Unterricht. Montags unterrichten wir im Projektsitz von Maithri Trust zwei Frauengruppen für jeweils drei Stunden.


Praesentieren der Ergebnisse vor der Klasse...


Sich zum Affen oder Elefanten machen..
Dienstags sind wir in einer Zweigstelle von Maithri in dem Ort Vitla. Dort unterrichten wir eine Gruppe junger Frauen für vier Stunden. Obwohl wir uns darauf vorbereitet hatten, dass die Frauen zunächst schüchtern sein würden, waren wir sehr erschrocken. Die einfachsten Übungen zogen sich scheinbar endlos hin, weil einige der Frauen selbst nach wiederholtem Auffordern so leise sprachen, dass wir sie nicht verstehen konnten. So war es uns fast unmöglich, auch nur eine einfache Vorstellungsrunde zu machen. Also beschränkten wir die erste Zeitstunde auf einfache Gruppenspiele. Die Mädchen hatten einigen Spass und tatsächlich schienen sie nach und nach ein wenig aufzutauen.


In der zweiten Zeitstunde versuchten wir uns noch einmal an der Vorstellungsrunde und beendeten sie- mit vielen Mühen und Aufforderungen- einigermassen zufriedenstellend. Nach diesem ersten Unterricht sahen wir allerdings ein, dass wir unser Unterrichtskonzept deutlich abändern mussten. Wir werden auf einige Grammatikübungen verzichten und stattdessen versuchen, durch viele Gruppenspiele das Selbstbewusstsein der Mädchen zu stärken und sie zu befähigen (wenigstens ein bisschen) sicherer und überzeugender aufzutreten.
Passing on the Bangles
3.Unser erster Field Visit

Unseren ersten Field Visit bei einer Selbsthilfegruppe (SHG) machten wir mit Shrimati, einer Mitarbeiterin von Maithri, die SHGs betreut und monatlich besucht.

Die Gruppe, die wir besuchten, gibt es erst seit neun Monaten. Sie besteht aus ca. 15 Mitgliegern. Die Frauen verdienen ihr Geld meist mit dem Rollen von Bidi (einer Art Zigaretten). Diese Arbeit koenne sie zu Hause neben dem Haushalt erledigen kann. Mit dem Geld, dass sie durch Kredite in der SHG bekommen, zahlen fast alle SHG-Mitglieder das Schulgeld für ihre Kinder oder versuchen, ein Kleinstunternehmen aufzubauen.

Zu der SHG sind wir mit dem Bus gefahren und haben dann eine Riksha zurück genommen, weil es um die Mittagszeit sehr heiß ist und wir sonst hätten laufen müssen. Das monatliche Treffen der Frauen fand vor dem Kindergarten des Dorfes statt. Als die Frauen nach und nach kamen, brachten sie Stühle für Shrimati und uns mit und saßen selbst auf dem Boden. Dann wurde der Prayer Song gesungen, den jeder Mitarbeiter von Maithri mit der SHG oder den Schülern singt. Danach fing das große Geldzählen, Dokumentieren und Verteilen an.

Monatlich zahlen die Frauen einen bestimmten Betrag an die Vorsitzende der SHG. Das Geld wird gespart, bis eine der Frauen einen Kredit aufnimmt. Sie muss den Kredit dann in monatlichen Raten zurueckzahlen, wobei die Zinsen sehr gering sind.
Leah beim Bidiblaetter schneiden.
Nach einem Jahr können SHGs auch Kredite bei der SHG-Bank von Maithri Trust aufnehmen und dieses Geld unter den Frauen in der SHG verteilen.
Nachdem Shrimati alles überprüft und den SHG-Mitgliedern Einiges erklärt hatte, wurden wir vorgestellt und über alle möglichen Dinge ausgefragt. Die Frauen waren sehr nett und man hat gemerkt, wie sehr sie sich gefreut haben, dass man sich für sie interessiert. Auf unserem Weg zurück zur Bushaltestelle gingen wir bei einem Haus vorbei, in dem ein Frau aus einer anderen SHG von Shrimati wohnt. Sofort lud sie uns zu sich ein und eine Nachbarin zeigte uns, wie man Bidis rollt.
Ein Bidi-Korb mit Tabak, Blaettern un fertigen Bidis.

Drei Generationen unter einem Dach

Am folgenden Tag besuchten wir mit Usha eine SHG, die schon seit 12 Jahren besteht und 28 Mitglieder hat. Diese Gruppe befindet sich in einem Dorf, das in der Nähe eines Flusses liegt. Dort wird Reis angebaut und um zu dem Treffpunkt der SHG zu gelangen, mussten wir eine halbe Stunde erst den Berg hinunter und dann durch den ersten Teil vom Dorf, der versteckt zwischen Palmen liegt. Dann sind wir zwischen zwei Reisfeldern auf einem sehr schmalen Trampelpfad gelaufen und mussten über einige kleine Bäche springen. Wir waren sehr beeindruckt von der Landschaft. Denn am Rand der Reisfelder befanden sich einige Kokospalmen und Betelbäume.
Maenner  bei der Arbeit auf einem Reisfeld.


In der SHG wurde erst ein langer Vortrag auf der lokalen Sprache Tulu über ein Gesundheitsprojekt einer anderen Organisation gehalten. Wir haben kein Wort verstanden und mussten uns mit Mühe wach halten. Als die Frau fertig war und die Frauen alle bürokratischen Dinge erledigt hatten, wurden wir aufs Neue ausgefragt und mehrmals von verschiedenen Frauen zu ihnen nach Hause eingeladen. Außerdem durften wir diesmal selbst versuchen, Bidis zu rollen. Es ist uns nicht wirklich gelungen, doch wir haben es eifrig versucht und so hatten wir alle etwas zu lachen.

:)
 Auf unserem Heimweg sind wir dann noch bei der Buchhalterin der Gruppe vorbeigegangen und haben Saft von frischen Kokosnüssen getrunken und frische Bananen gegessen. Hinter dem Haus hat die Familie einen Brunnen, den uns der Herr des Hauses  voller Stolz zeigte. In dem Loch sah das Wasser zunaechst dreckig und milchig aus. Doch als Usha uns zeigte, wie man Wasser schoepft und uns das Wasser zeigte, sah es doch sehr sauber aus.






Usha am Wasserloch



 

Selbst Kuehe brauchen mal eine Abkuehlung.. :)

Unsere beiden ersten Field Visits haben uns sehr gefallen und wir waren überwältigt von der Freundlichkeit, mit der uns die Frauen entgegengekommen sind.


4.Unser erster Sari


Wir in unserem ersten Sari :)
Um unsere ersten Saris rankt sich eine lange Geschichte, die hier nun endlich zu “Papier” gebracht werden soll. Schon bei jedem Shopping-Ausflug im KKID wollten wir uns alle unseren ersten Sari kaufen. Doch Malathi hielt uns immer wieder zurück. Wir sollten uns das doch lieber für einen Ausflug mit unseren Mentoren aufheben (was wir alle einsahen). Bei Maithri angekommen, erfuhren wir, dass es in diesem Projekt für alle (weiblichen) Angestellten Pflicht ist, einen Sari zu tragen. Sofort entflammte in uns die Hoffnung, dass wir so bald an unseren ersten Sari kommen würden. Gleich bei unserem ersten Gang nach Mangalore wollten wir ihn uns kaufen. Doch leider zog sich unsere Police Registration so weit hin, dass wir anschliessend keine Zeit mehr hatten. Aber wir würden ja bald wieder nach Mangalore kommen. Als wir dann im Geschäft standen, erfuhren wir allerdings, dass wir- nachdem wir den Stoff ausgesucht hatten- erst zu einer Näherin mussten, die die Saribluse nähen sollte. Glücklicherweise hatte diese auch noch am selben Tag Zeit, um unsere Maße zu nehmen. Sie versprach uns, die Saris seien in spätestens einer Woche fertig. Zwei Wochen später warteten wir immer noch und waren verzweifelt: würden wir jemals an unsere Saris kommen? Als wir die Saris dann schliesslich bekamen und unser Glück kaum fassen konnten, wurde uns eröffnet, dass ein Sari- selbst mit Bluse- absolut nutzlos ist, wenn man keinen Sarirock hat, an dem man den Stoff befestigen kann...

Unsere Schuelerinnen mit ihrem Zertifikat

Schliesslich bekamen wir unsere ersten Saris zwar um Einiges später als erwartet, aber wir bekamen sie und konnten sie stolz bei der Verabschiedung unseres ersten Englischkurses in Vittla tragen.


Nach der "Window Period" und vielen neuen Erfahrungen koennen wir nun sagen, dass wir uns sehr gut bei Maithri eingelebt haben und die Projektmitarbeiterinnen und auch unsere Schuelerinnen schon ins Herz geschlossen haben.

Liebste Gruesse nach Deutschland!

 Namaskara Leah & Feli!

Ps.: Wir freuen uns ueber viele Kommentare! ;)

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich bin von euren Beschreibungen ganz beeindruckt und hatte das Gefühl, euch im Bus "kämpfen" zu sehen. Es macht viel Spaß, eure Einträge zu lesen, es ist spannend und fremd und toll.
Ulrike

Kristina aus Fü bei N in D hat gesagt…

Hallo ihr beiden,

Glückwunsch zur ersten Sari! Ihr seht klasse aus.

Wirklich spannend euer Blog zu lesen mit den entsprechenden Fotos dazu! Weiter so..

Viele Grüße aus Deutschland,
Kristina
(Pupsi-Sister;-))

Anonym hat gesagt…

Es ist einfach klasse, dass wir dank Eurer tollen Photos und Berichte hier im herbstlich-kühlen Deutschland ein kleines bisschen dabei sein können bei Euren erstaunlichen Erlebnissen und Abenteuern...Vielen Dank dafür und Euch beiden weiter ganz viel Freude und Spaß!!!
Take care und liebe Grüße von Elisabeth, Mamavonanna

Anonym hat gesagt…

Liebe Feli, liebe Leah, eure Berichte sind wirklich sehr interessant und plastisch geschrieben, ich kann mir eure Tage in Mangalore jetzt viel besser vorstellen. Ich bin schon gespannt auf eure nächsten Erlebnisse. Jutta

Anonym hat gesagt…

Ich fand diesen Eintrag total interessant und ich konnte mir gerade total gut vorstellen wies bei euch so aussieht...
liebe leah in deinem Sari siehst du klasse aus ;)
gruesse aus benin
euer weltwaertskollege stette

Anjuli und Julia hat gesagt…

Hallo ihr zwei!

Klingt ja super, was ihr so alles in eurem Blog erzählt, wir beneiden euch um eure Saris.
Wir freuen uns schon riiiießig euch im November besuchen zu kommen!!
Grüße
Anju&Jule

Renate Tietz hat gesagt…

Super euer Bericht. Bald seh ich alles mit eigenen Augen. Toll auch eure Dia-Schow.

Anonym hat gesagt…

I really like your blog and i really appreciate the excellent quality content you are posting here for free for your online readers. thanks peace sandro