Nach der zweiwöchigen “Window Period” sind wir nun richtig im Projektalltag angekommen. Unser Zimmer ist fertig eingerichtet, wir kennen endlich die Namen (fast) aller Frauen aus dem Projekt und trauen uns nun sogar, alleine mit dem Bus zu fahren. In diesem Blogeintrag möchten wir von unseren Anfängen im indischen Alltag berichten.
1.Unsere erste Busfahrt
Unsere ersten Busfahrten durften wir nur mit Begleitung erleben. Wir stellten spaeter auch fest, wieso. Um in Indien mit dem Bus fahren zu können, muss man einige Regeln beachten, die uns Vandana und andere Maithri- Mitarbeiterinnen beigebracht haben. Damit ihr, liebe Blogleser, falls es euch jemals nach Indien bzw. nach Mangalore verschlägt, wisst wie man sich im Bus verhält, geben wir unser neu gewonnenes Wissen gerne an euch weiter:
Zuerst muss man die Bushaltestelle finden, die oft nicht wirklich gekennzeichnet ist und nur aus einer kleinen Überdachung besteht. Wenn der Bus kommt, sollte man schon bereit stehen, um möglichst schnell hineinzuklettern. Denn im Bus arbeiten drei Männer. Einer ist der Fahrer, ein anderer verteilt die Fahrkarten und sammelt das Geld ein und noch ein anderer treibt (zusammen mit dem Fahrkartenverkäufer) die Fahrgäste mit einer Pfeife in den Bus.
Nachdem man es geschafft hat, in den Bus zu klettern, sollte man sofort nach etwas zum Festhalten greifen, denn der Busfahrer faehrt nach wenigen Sekunden los- auch, wenn noch einige Menschen auf der Treppe stehen. Schliesslich muss er den ziemlich eng gestrickten Busfahrplan einhalten. Tueren gibt es in indischen Bussen generell nicht. Wenn man etwas zum Festhalten hat oder sogar das Glück hatte, einen Sitzplatz zu ergattern sollte man NIE loslassen. Die Straßen rund um Mangalore sind (besonders durch die lange Monsunzeit) mit Schlaglöchern übersäht und man wird ordentlich durchgerüttelt. Die wenigsten Busfahrer machen sich die Muehe, vor einem Schagloch abzubremsen oder auszuweichen.
Eine weitere lebensnotwendige Regel ist es, egoistisch zu sein. Man sollte sich nie in die Mitte des Busses drängen lassen, denn es kann vorkommen, dass bei einem College viele Schüler einsteigen und man an seiner Bushaltestelle nicht mehr rauskommt. Alten Menschen oder schwangeren Frauen kann man seinen Sitzplatz anbieten.
Des weiteren begenet man als Europaer einem grossen Interesse, das einem auch leicht einmal zu viel werden kann. Bestenfalls ignoriert man es einfach oder freut sich ueber das Interesse. Wann hat man schliesslich schonmal die Gelegenheit, sich wie ein Promi auf dem roten Teppich zu fuehlen? ;)
In einem indischen Bus ist es extrem heiß. Das heißt, dass uns Europäern der Schweiß nur so runterläuft. Dazu ist man auf engstem Raum mit vielen Menschen zusammengedraengt. Eine sinnvolle Anschaffung ist ein Schweisstuch, fuer das schnell noch viele weitere Verwendungszwecke finden lassen.
Ihr seht: nichts leichter als mit einem indischen Bus zu fahren! Wir wünschen euch, dass ihr auch einmal in einem indischen Bus fahren könnt, denn es ist ein wirkliches Erlebnis.
Und zur Beruhigung: Wie koennen mittlerweile sogar im Bus schlafen! :)
2.Unsere erste Unterrichtsstunde
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Stillarbeit.. :) |
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Praesentieren der Ergebnisse vor der Klasse... |
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Sich zum Affen oder Elefanten machen.. |

In der zweiten Zeitstunde versuchten wir uns noch einmal an der Vorstellungsrunde und beendeten sie- mit vielen Mühen und Aufforderungen- einigermassen zufriedenstellend. Nach diesem ersten Unterricht sahen wir allerdings ein, dass wir unser Unterrichtskonzept deutlich abändern mussten. Wir werden auf einige Grammatikübungen verzichten und stattdessen versuchen, durch viele Gruppenspiele das Selbstbewusstsein der Mädchen zu stärken und sie zu befähigen (wenigstens ein bisschen) sicherer und überzeugender aufzutreten.
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Passing on the Bangles |
Unseren ersten Field Visit bei einer Selbsthilfegruppe (SHG) machten wir mit Shrimati, einer Mitarbeiterin von Maithri, die SHGs betreut und monatlich besucht.
Die Gruppe, die wir besuchten, gibt es erst seit neun Monaten. Sie besteht aus ca. 15 Mitgliegern. Die Frauen verdienen ihr Geld meist mit dem Rollen von Bidi (einer Art Zigaretten). Diese Arbeit koenne sie zu Hause neben dem Haushalt erledigen kann. Mit dem Geld, dass sie durch Kredite in der SHG bekommen, zahlen fast alle SHG-Mitglieder das Schulgeld für ihre Kinder oder versuchen, ein Kleinstunternehmen aufzubauen.
Zu der SHG sind wir mit dem Bus gefahren und haben dann eine Riksha zurück genommen, weil es um die Mittagszeit sehr heiß ist und wir sonst hätten laufen müssen. Das monatliche Treffen der Frauen fand vor dem Kindergarten des Dorfes statt. Als die Frauen nach und nach kamen, brachten sie Stühle für Shrimati und uns mit und saßen selbst auf dem Boden. Dann wurde der Prayer Song gesungen, den jeder Mitarbeiter von Maithri mit der SHG oder den Schülern singt. Danach fing das große Geldzählen, Dokumentieren und Verteilen an.
Monatlich zahlen die Frauen einen bestimmten Betrag an die Vorsitzende der SHG. Das Geld wird gespart, bis eine der Frauen einen Kredit aufnimmt. Sie muss den Kredit dann in monatlichen Raten zurueckzahlen, wobei die Zinsen sehr gering sind.
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Leah beim Bidiblaetter schneiden. |
Nachdem Shrimati alles überprüft und den SHG-Mitgliedern Einiges erklärt hatte, wurden wir vorgestellt und über alle möglichen Dinge ausgefragt. Die Frauen waren sehr nett und man hat gemerkt, wie sehr sie sich gefreut haben, dass man sich für sie interessiert. Auf unserem Weg zurück zur Bushaltestelle gingen wir bei einem Haus vorbei, in dem ein Frau aus einer anderen SHG von Shrimati wohnt. Sofort lud sie uns zu sich ein und eine Nachbarin zeigte uns, wie man Bidis rollt.
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Ein Bidi-Korb mit Tabak, Blaettern un fertigen Bidis. |
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Drei Generationen unter einem Dach |

Am folgenden Tag besuchten wir mit Usha eine SHG, die schon seit 12 Jahren besteht und 28 Mitglieder hat. Diese Gruppe befindet sich in einem Dorf, das in der Nähe eines Flusses liegt. Dort wird Reis angebaut und um zu dem Treffpunkt der SHG zu gelangen, mussten wir eine halbe Stunde erst den Berg hinunter und dann durch den ersten Teil vom Dorf, der versteckt zwischen Palmen liegt. Dann sind wir zwischen zwei Reisfeldern auf einem sehr schmalen Trampelpfad gelaufen und mussten über einige kleine Bäche springen. Wir waren sehr beeindruckt von der Landschaft. Denn am Rand der Reisfelder befanden sich einige Kokospalmen und Betelbäume.
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Maenner bei der Arbeit auf einem Reisfeld. |
In der SHG wurde erst ein langer Vortrag auf der lokalen Sprache Tulu über ein Gesundheitsprojekt einer anderen Organisation gehalten. Wir haben kein Wort verstanden und mussten uns mit Mühe wach halten. Als die Frau fertig war und die Frauen alle bürokratischen Dinge erledigt hatten, wurden wir aufs Neue ausgefragt und mehrmals von verschiedenen Frauen zu ihnen nach Hause eingeladen. Außerdem durften wir diesmal selbst versuchen, Bidis zu rollen. Es ist uns nicht wirklich gelungen, doch wir haben es eifrig versucht und so hatten wir alle etwas zu lachen.
:)
Auf unserem Heimweg sind wir dann noch bei der Buchhalterin der Gruppe vorbeigegangen und haben Saft von frischen Kokosnüssen getrunken und frische Bananen gegessen. Hinter dem Haus hat die Familie einen Brunnen, den uns der Herr des Hauses voller Stolz zeigte. In dem Loch sah das Wasser zunaechst dreckig und milchig aus. Doch als Usha uns zeigte, wie man Wasser schoepft und uns das Wasser zeigte, sah es doch sehr sauber aus.
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Usha am Wasserloch |
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Selbst Kuehe brauchen mal eine Abkuehlung.. :) |
Unsere beiden ersten Field Visits haben uns sehr gefallen und wir waren überwältigt von der Freundlichkeit, mit der uns die Frauen entgegengekommen sind.
4.Unser erster Sari
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Wir in unserem ersten Sari :) |
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Unsere Schuelerinnen mit ihrem Zertifikat |
Schliesslich bekamen wir unsere ersten Saris zwar um Einiges später als erwartet, aber wir bekamen sie und konnten sie stolz bei der Verabschiedung unseres ersten Englischkurses in Vittla tragen.
Nach der "Window Period" und vielen neuen Erfahrungen koennen wir nun sagen, dass wir uns sehr gut bei Maithri eingelebt haben und die Projektmitarbeiterinnen und auch unsere Schuelerinnen schon ins Herz geschlossen haben.
Liebste Gruesse nach Deutschland!
Namaskara Leah & Feli!
Ps.: Wir freuen uns ueber viele Kommentare! ;)